Montag, 29. Juni 2020

Ein freundlicher Empfang

Ein freundlicher Empfang 

Von Ralph Petersen

Ich hatte mich am Sonntagnachmittag zu einem kleinen Waldspaziergang aufgemacht, weil es mir daheim zu langweilig geworden war. Meine Betty war zu einem Klassentreffen eingeladen worden, wo man keine Ehemänner sehen wollte. Hannes, mein Ältester saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher und sah sich das Programm an, während er ganz nebenbei an einer Seminararbeit für sein Studium schrieb. Und Bernd, der Achtzehnjährige, hatte sich meinen Wagen geliehen, um mit seiner Freundin eine Fahrt ins Grüne zu machen.
   Es war schon spät, als ich wieder nach Hause kam. Hannes saß immer noch im Wohnzimmer und arbeitete. Bernd war inzwischen auch wieder zurückgekommen.
   »Hallo, Paps!«, sagte er. »Einen guten Spaziergang gehabt?«
   »Ausgezeichnet, ich hatte den Eindruck, der einzige Mensch im ganzen Wald zu sein!« Ich streifte mir die Schuhe ab.
   »Moment, Paps, ich hole dir deine Pantoffeln!« Bernd sprang auf und kam gleich darauf mit meinen Pantoffeln zurück.
   »So, Paps«, sagte er und drückte mich in meinen Lieblingssessel, »jetzt machst du es dir so richtig gemütlich!« Er schob mir die Pantoffeln an die Füße. »Möchtest du vielleicht ein Bier?«
   »Ein Bier?«, murmelte ich. »Ein Bier wäre nicht schlecht!«
   »Augenblickchen, Paps, dein Bier kommt gleich!« Sprach's und verschwand in der Küche. Ich hörte die Eisschranktür klappen.
   »Hast du mit Martina einen schönen Ausflug gemacht?«, fragte ich, als er mit dem Bierkrug in der Hand zurückkam.'
   »Oh ja«, bestätigte Bernd. »Wir sind durch die Gegend gefahren, und als wir an einen See vorbeikamen, haben wir angehalten und sind ein bisschen ins Wasser gestiegen!«
   »Soso!«, sagte ich.
   Bernd holte seine Zigaretten heraus. »Darf ich dir eine an bieten, Paps?«
   »Danke sehr!«
   Bernd ließ sein Feuerzeug aufschnappen. »Bitte, Paps. Der Aschenbecher!«
   »Danke, mein Sohn!«
   »Soll ich vielleicht den Fernseher anmachen, Paps? Gleich kommt die Sportschau!«
   »Die ich nie sehen kann, weil die auf dem anderen Kanal etwas anschauen willst?«, fragte ich ungläubig. »Aber selbstverständlich darfst du den Fernseher einschalten.«
   Ich lehnte mich behaglich im Sessel zurück, rauchte Bernds Zigarette, trank einen Schluck Bier. Hannes blickte von seiner Arbeit auf und grinste..
   »Was gibt es da zu grinsen?«, fragte ich ihn. »Das ist ein Empfang, den sich ein Familienvater von seinen Kindern wünscht! Warum empfängst du mich denn nicht so, wenn ich nach Hause komme?'
   »Weil ich keine Beule in deinen Wagen gefahren habs!«, erwiderte Hannes.