Montag, 20. Februar 2023

Krüschels achter Fall

Jörg Juretzka:

Bis zum Hals

Wenn Philip Marlowe oder Sam Spade einen unehelichen Sohn in Deutschland gehabt haben, dann heißt er Kristof Kryszinski, hört auf den Spitznamen Krüschel, lebt in Mülheim Ruhr und ist Privatdetektiv. Und der Schriftsteller, der von seinen Abenteuern erzählt, heißt Jörg Juretzka, aus Mülheim.

BIS ZUM HALS ist Krüschels achter Fall - und der Titel ist wörtlich zu nehmen: Kryszinski steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten, nachdem man ihm mitten in der Nacht einen toten Russen vors Auto gestoßen hat. Seine Erzfeinde bei der Mülheimer Polizei - die Kommissare Menden und Hufschmidt - würden nichts lieber tun, als Krüschel deswegen für immer aus dem Verkehr zu ziehen.
Aber wenn er sich nicht auch da wieder aus der Affäre ziehen könnte, um auf eigene Faust nach beweisen dafür zu suchen, dass man ihn ganz bös in etwas reingerissen hat. Was hat der Russe Dimitri im Ruhrgebiet getrieben, warum hat er in einer Wohnwagenkolonie gewohnt und sich um einen Job bei einem Sicherheitsdienst bemüht? Antworten könnte Dimitris Frau, die betörend schöne Anoushka  geben, die kurz darauf schlafend vor Krüschels Bürotür liegt - doch Anoushka  gibt sich spröde und nutzt es einfach nur aus dass sich der harte Krüschel bis über beide Ohren in sie verliebt. Und wir Leser sind auf einmal auf der Seite des ruppigen Ex-Junkies, Ex-Bikers, des heruntergekommenen, sprücheklopfenden Schwadroneurs Krüschel, denn wir ahnen, dass Anoushka nicht gut für ihn ist.

Klassischer Hardboiled- und Privatdetektiv-Krimi im düsteren Ruhrgebiets-Milieu. Jörg Juretzka macht  stilistisch seine Anleihen bei Raymond Chandler und Dashiell Hammett, aber er kopiert die Meister nicht - zum Glück.
(Reinhard Jahn  WDR5 Mordsberatung)



Jörg Juretzka
Bis zum Hals

Originalausgabe
Ullstein Taschenbuch, 2007
Neuausgabe:
Unionsverlag, 2016

 

Sonntag, 19. Februar 2023

Ratekrimi der Woche

 

Dexters neues Leben

Von John Miller

Inspektor Cramer ermittelte im Fall Ben Dexter. Der smarte Internetunternehmer war verschwunden - spurlos, wie es schien. Der Verdacht lag nahe, dass er Opfer eines Verbrechens geworden war. Das jedenfalls versuchte Dexters Ehefrau Brenda dem Inspektor nahezulegen.
  Ben Dexter war vor drei Tagen am Abend gegen 18 Uhr noch einmal aus dem Haus gegangen. »Er wollte sich Zigaretten holen, in dem Tabakwarenladen an der Winslow Street«, sagte Brenda. »Ich wartete und wartete – doch er kam nicht zurück.« Um 22 Uhr hatte sie die Polizei verständigt. Erste Ermittlungen ergaben, dass Ben Dexter weder seinen Wagen benutzt hatte – der stand noch in der Garage, noch dass er ein Taxi geordert hatte. Sein Mobiltelefon hatte er zwar mitgenommen, doch es war seit 18.12 Uhr abgeschaltet. 
  In den Krankenhäusern der Umgebung war im fragliche Zeitraum keine männliche Person, 37 Jahre alt, 1,85 Meter groß, 86 Kilo schwer, mit kurzen rotblonden Haaren als Unfallopfer eingeliefert worden.
  Cramers Kollegin Carolyn Green hatte sich unterdessen eingehend mit Dexters Vorleben beschäftigt. »Er hat einen schlechten Ruf. In seiner Branche gilt er als rücksichtslos und eiskalt«, fasste sie zusammen. »Seine Firma steht vor dem Konkurs. Ich habe den Eindruck, er ist einfach untergetaucht, um sich vor seinen Verpflichtungen zu drücken. Vielleicht will er irgendwo neu anfangen, mit falschen Papieren und den 5000 Pfund, die er am Tag seines Verschwindens noch von seinem Konto abgehoben hat.«
  »Wenn er sich neue Papiere verschaffen will, wird er früher oder später an Gerry Londman geraten«, sagte Cramer. Der ehemalige Werbegrafiker galt als der beste Passfälscher der Stadt. Wenig später standen Cramer und seine Kollegin in dem kleinen Zeitungsladen, den Gerry Londman als Tarnung betrieb. Der Fälscher gab die vollendete Unschuld.
  »Ben Dexter? Nie gehört, nie gesehen. Wieso sollte er zu mir gekommen sein?«
  »Um sich neue Papiere zu kaufen«, sagte Cramer. »Er hatte 5000 Pfund in bar bei sich – das ist doch Ihr Tarif für eine kompletten Satz neuer Papiere, oder?«
 »Was die Leute so reden…«, murmelte Londman. »Wie soll dieser Dexter denn aussehen?«
  »1,85, sportlich, 86 Kilo, kurzes Haar.«
  »Habe ich nie gesehen. Aber vielleicht hat er sein Aussehen verändert? Sich eine Bart angeklebt, die roten Haare gefärbt? Oder überhaupt eine Perücke benutzt.«  »Damit wäre klar, dass Sie Dexter kennen und ihm wohl neue Papiere verschafft haben«, sagte Cramer.

Warum?
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Ein Mord in einem verschlossenen Raum, ein tückisch arrangierter Unfall, ein vergifteter Drink – in jedem Fall ein Fall für Kommissarin Katja Kampp von der SOKO RUHR. Mit messerscharfer Kombinationsgabe ermittelt die clevere Kriminalistin innerhalb kürzester Zeit, wer der Täter ist. 
H.P. Karr

Ein Fall für Kommissarin Katja Kampp

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Lösung: Lonsdale wusste, dass Dexter rote Haare hatte, aber das hatte Carter nie erwähnt.
© by author



Montag, 13. Februar 2023

Debüt des Tages

Sybille Ruge:
Davenport 160 x 90 

Ein Roman wie ein Faustschlag. Was zu seiner Protagonistin passt - denn Sonja Slanski boxt sich - quasi nebenbei -  nicht nur durch die Frankfurter Halb.- und Unterwelt.
Sonja betreibt eine Firma für Forderungsmanagement, was nichts anderes ist ein grundsolides Hau-Drauf-Inkasso.
Was ihr in dem Debütroman von  Sybille Runge alles zustößt und in die Quere kommt, wie es von ihr gleichermaßen stoisch und effektiv aus dem Weg geräumt und zur Seite geschoben wird auf dem Weg zu höherer Erkenntnis, das ist wirklich einzigartig in  der aktuellen Krimi-Szene.
Und um so bemerkenswerter, als dass es sich bei dem
 Roman um ein  Debüt handelt, einen Erstling, den ersten Aufschlag eines neue Talentes, bei dem man gar nicht sagen kann, was wir noch alles an aufregender Kriminalliteratur von ihm erwarten dürfen.
Erzählerisch ist Sybille Ruge ohnehin  mit ihrem coolen, an den Klassikern des Genres geschulten Ton ganz vorne dabei - und was ihren Zugriff auf die Realität angeht, verblüfft sie mit Wissen  und Analyse. Also: Watch out - there a new girl in town!
(Reinhard Jahn, Bochumer Krimiarchiv)

Deutscher Krimipreis (Platz 3) 2022

 

Sybille Ruge:
Davenport 160 x 90
Suhrkamp 2022
261 Seiten
ISBN 978-3-518-47243-9