Sonntag, 6. Juli 2025

Gespräch im Park

 

Gespräch im Park

Mit einer halben Stunde Verspätung kam sie zu dem vereinbarten Treffpunkt im Stadtpark. Er hatte sich bereits von der Parkbank, auf der er gewartet hatte, erhoben und sich zum Fortgehen gewendet, als sie endlich auftauchte. Ihr Gesicht drückte Besorgnis aus.

»Was ist geschehen?«, fragte er. »Hast du dich wieder mit deinem Vater gestritten?«

Die junge Frau nickte bedrückt. »Ja. Vater hat mir wieder vorgeworfen, dass ich auf einen Mitgiftjäger hereingefallen bin. Er kann es einfach nicht glauben, dass ich dich wirklich liebe. Er nimmt immer noch an, dass du es nur auf die riesige Erbschaft abgesehen hast, die ich einmal antreten werde, wenn Vater stirbt.«

»Irgendwie kann ich die Haltung deines Vaters verstehen!«, sagte der junge Mann und legte seinen Arm um die schmalen Schultern des Mädchens. »Er hat sich in jahrelanger, mühevoller Arbeit zu einem der wohlhabendsten Bürger unserer Stadt emporgearbeitet. Ihm gehören verschiedene Fabriken und ein großes Haus am Stadtrand. Und nun befürchtet er, dass das alles nach seinem Tod – wenn du es erbst – in Hände fallen könnte, die es nicht verdient haben!« Er zog sie an sich und sah sie lange an. »Aber du musst mir eines versprechen, Liebes. Du darfst nicht glauben, was dein Vater über mich sagt. Ich möchte dich so schnell wie möglich heiraten, weil ich dich liebe – und nicht, weil du eine reiche Erbin bist. Das darfst du nie vergessen. Versprichst du mir das?«

»Das kann ich dir sogar leicht versprechen!«, erwiderte sie mit einem erleichterten Unterton in der Stimme. »Vater hat sich nämlich entschlossen, mich zu enterben!«

»Was?«, stieß er hervor.

»Als ich ihm klar und deutlich sagte, dass ich dich um jeden Preis heiraten werde, hat er sofort seinen Rechtsanwalt zu sich bestellt. Ich werde keinen Pfennig von seinem Vermögen erben, weil alles in eine wohltätige Stiftung übergeht. Zuerst hielt ich das für einen verrückten Vorschlag, bis ich dann herausfand, dass es die einzige Lösung ist. Jetzt können wir endlich...«

»Er hat dich enterbt?«, stammelte der junge Mann fassungslos. »Und du willst, dass wir heiraten?«

»Aber ja!«, erwiderte sie.

»Und wovon sollen wir leben?« wollte er wissen. »Ich verdiene nicht viel...«

»Wir werden schon zurechtkommen!«, sagte sie optimistisch. »Gehen wir morgen zum Standesamt und bestellen das Aufgebot?«

Er sah sie an und nahm ihre Hand. »Ich glaube«, sagte er dann langsam, »wir sollten es nicht übereilen. Wir müssen alles genau überlegen. Es ist eine schwerwiegende Entscheidung. Überhaupt jetzt, wo dein Vater sein Testament ändert...«

»Ich habe dich schon verstanden«, sagte die junge Frau bitter. »Du hast in mir nur die reiche Erbin gesehen – wirklich geliebt hast du mich nicht. Mein Vater hatte von Anfang an recht. Er hat sein Testament nie geändert, das war nur eine Prüfung, vor die ich dich gestellt habe. Ich wollte endlich Klarheit haben, ob du mich nur um meiner selbst oder meines Geldes wegen liebst. Und jetzt habe ich die Antwort gefunden.«
Sie wandte sich auf dem Absatz um und ging mit schnellen, sicheren Schritten davon. 

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