Montag, 20. Juli 2020

Die Macht der Hypnose - Teil 2

Langsam beginnt Professor Schrenck-Notzing zu zählen. Gespannt sehen seine Gäste, wie Linas Augenlider zittern und sich schließlich bei der Zahl Zwanzig öffnen.
Lina setzt sich auf und blickt in die Runde, während Schrenck-Notzing die Vorhänge aufzieht. »Wo ist denn Dr. Schneider?«, fragte Lina. »Er saß doch vorhin nicht auf diesem Stuhl hier!«



Ein Gast ist verschwunden


Sie deutet auf den Stuhl, auf dem der Dr Schneider sitzt. Der junge Mann starrt das Mädchen fassungslos an. »Aber ich bin doch hier, Fräulein Lina!«, sagt er. Doch Lina scheint seine Stimme nicht zu hören.
»Kommen Sie«, sagte der Professor. »Wir wollen nach nebenan gehen.«
Die Gäste erheben sich und folgen ihrem Gastgeber in den Salon. Dort geschieht es dann plötzlich: Lina stößt, als sie zu einer Kommode gehen möchte, an Dr. Schneider. Sie erstarrt und weicht zurück. »Was … was ist das?«, presst die hervor.
Dr. Schneider, der es immer noch nicht fassen, dass Lina ihn ganz offensichtlich nicht sieht, nimmt eine Schale mit Konfekt von der Kommode und reicht sie Lina. Das Mädchen schreit auf.
»Bin ich verrückt? Die Konfektschale, sie schwebt in der Luft!«
Professor Schrenck-Notzing hält es für angebracht, das Experiment zu beenden.
Er sagt: »Unter einer Palme kann man gut in der Sonne liegen« Das Stichwort ist nun gefallen. Man sieht deutlich, wie Lina erschrickt. Sie kann jetzt Dr. Schneider wieder sehen, wie er vor ihr steht und ihr die Konfektschale entgegenhält.
»Da ... da sind Sie ja, Dr. Schneider!«, sagt sie unsicher. »Ich dachte, Sie seien hinausgegangen.«
Man sieht deutlich, wie sehr Lina von dem Geschehen betroffen ist. Professor Schrenck-Notzing bittet Lina, Platz zu nehmen und wendet sich dann an seine Gäste: »Was Sie eben beobachten konnten, nenne ich ein Entmaterialisationsphänomen!«, erklärt er. »Suggeriert man einem Menschen, er könne eine bestimmte Person oder einen bestimmten Gegenstand nicht mehr sehen, so sieht er ihn einfach nicht mehr!''
Das Mädchen Lina kann dies nur bestätigen. »Selbstverständlich«, fährt Schrenck-Notzing fort, »kann diese Halluzination nicht soweit gehen, dass die hypnotisierte Person einfach durch die Person, die sie nicht mehr sieht, hindurchgehen kann. Sie haben ja selbst gesehen, dass Lina mit Dr. Schneider zusammenstieß und dass sie diesen Zusammenstoß spürte. Ein weiteres interessantes Phänomen ist dabei, dass die hypnotisierte Person den Hintergrund, vor dem die ›unsichtbare‹ Person steht, einfach in ihrem Hirn rekonstruiert und ersetzt.«
Lina bestätigt das. Sie habe eben tatsächlich statt Dr. Schneider einen leeren Stuhl gesehen, sogar den Bezug der Sitzfläche kann sie beschreiben.



Hypnose - ein machtvolles Instrument


»Natürlich kann man diese Phänomen auch umkehren!«, sagt Dr. Schrenck-Notzing. »Man suggeriert dem Hypnotisierten zum Beispiel, dass eine weitere Person in den Raum gekommen ist, oder dass man einige Möbel umgeräumt hat. Man kann wirklich verblüffende Experimente mit diesem Phänomen anstellen.«
Heute sind die »Objektbildung« und die »Objektverneinung weitgehend bekannte Phänomene der Hypnose. Aber dennoch rufen sie bei uns stets ein leichtes Unbehagen hervor, wenn wir sehen, welche Macht die Hypnose auf uns ausüben kann. Besonders Show-Hypnotiseure setzen bei ihren Auftritten auf solche spektakulären Effekte.
So wurde zum Beispiel ein Fall aus Schweden bekannt, der zeigte welche unheimliche Macht die Hypnose auf einen Menschen ausüben kann. Dort suggerierte ein gewissenloser Hypnotiseur einer jungen Frau, dass sie nach dem Erwachen alle Menschen nur noch ohne Köpfe sehen würde. Und tatsächlich – die Aufgeweckte sah nur noch die Halsstümpfe ihrer Mitmenschen. Sie wäre darüber beinahe wahnsinnig geworden, hätte man sie nicht rechtzeitig mit einer Gegensuggestion behandelt. 


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