Samstag, 17. April 2021

Nur eine kurze Begegnung

 Nur eine kurze Begegnung

 Von Richard Janssen

 In der Nacht war ein Gewitter über der Stadt niedergegangen. Als ich am Morgen zur Arbeit ging, schimmerten die Gehsteige und die Blätter der Chausseebäume noch matt in der Feuchtigkeit des nächtlichen Regens. Ich genoß die Kühle der Morgenstunde. Das würde bestimmt wieder ein schönes warmer Sommertag werden!
   Als ich die Straße überqueren wollte, stutzte ich plötzlich.
   Was war denn das? Ein kleines Wesen, das beinahe wie ein Wollknäuel auf vier Beinen aussah, tappte unbeholfen auf der  verkehrsreichen Fahrbahn dahin, und nur ein Wunder schien es bisher vor den Rädern der vorüberbrausenden Autos bewahrt zu haben.
   Der kleine herrenlose Hund hatte sich wohl während einer Entdeckungsreise verlaufen und stand nun hilflos mitten auf den Asphalt, weil er offensichtlich nicht wusste, wie er den vorüberbrausenden Chaos aus Autos, Motorrädern und Fußgängern entkommen sollte.
   Behutsam nahm ich den kleinen Kerl auf den Arm. Das Hündchen fühlte sich offenbar dort sehr wohl, denn es rollte sich zusammen, leckte dankbar meine Hand und schaute mich aus großen braunen Augen an.
   In diesem Augenblick schlossen wir beide Freundschaft,
   Dickerchen und ich. Ich nahm den kleinen Foxterrier, denn dieser Rasse konnte man Dickerchen zum größten Teil zurechnen, mit in meine Wohnung, und als habe er schon jahrelang dort gewohnt, belegte er sofort einen der Sessel im Wohnzimmer mit Beschlag. Ich machte ihm etwas zu Fressen und versicherte mich seiner ewigen Dankbarkeit, indem ich ihm auch noch am nächsten Tag einen Knochen aus Gummi kaufte, mit dem er spielen konnte.
   Während ich tagsüber arbeitete, blieb Dickerchen daheim und hütete das Haus. Kam ich abends nach Hause, empfing er mich mit fröhlichem Gebell und tobte solange um meine Füße herum, bis ich mich hinabbeugte und mit ihm spielte.
   Doch leider dauerte unser kleines Glück nicht lange. Der Hausbesitzer hatte von Dickerchen erfahren, und er verlangte, das Dickerchen aus dem Haus geschafft würde. Jeder Versuch, eine andere Einigung zu erzielen war zwecklos.
   Schweren Herzens versuchte ich alles, um ein neues Heim für Dickerchen zu finden. Nach einiger Zeit fand ich schließlich eine entfernte Cousine, die auf einem Bauernhof lebte und die sich bereit erklärte, Dickerchen bei sich aufzunehmen.
   Es war inzwischen Herbst geworden‚ und als ich Dickerchen an die Leine nahm, um ihn hinaus aufs Land zu bringen, wuchsen schon die Heckenrosen über die Zaungitter. Dickerchen schien zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war, denn er trottete traurig neben mir her, ohne wie gewöhnlich ungeduldig an der Leine zu zerren.
   Es war Abend geworden, als ich mit ihm bei meiner Cousine eintraf. Als ich die beiden nach einer kurzen Pause wieder verließ, musste Dickerchen mit der Leine an Tischbein festgebunden werden, weil er dauernd versuchte, mir nachzulaufen.
   Er tat mir schrecklich leid, der kleine Bursche, wie er da auf dem Küchenboden saß und leise winselte, weil ihn die Leine festhielt, als ich zur Tür hinausging. Doch es gab keine andere Lösung.
   Das alles geschah vor beinahe einem Jahr. Ich habe Dickerchen seitdem nie wiedergesehen, doch aus den Briefen meiner Cousine weiß ich, dass es gut geht. Oft habe ich mit dem Gedanken gespielt, einmal hinauszufahren und nach ihm zu sehen, doch dann bin ich immer wieder daheimgeblieben.
  


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Frühstück

Von Richard Janssen

"Ich habe", sagte Frau Neumann am Frühstückstisch, "bei Grotemanns im Schaufenster ein herrliches Service gesehen. Findest du nicht auch, dass wir wieder einmal neues Geschirr brauchten, Willy?"
   Herr Neumann lugte angriffslustig über den Rand seiner Morgenzeitung und fixierte sein Eheweib mit einem strengen Blick.
   "Nein, Hermine!", sagte er nach einer Weile. "Ich finde nicht, dass wir neues Geschirr brauchten!"
   "Und warum nicht?" wollte sie wissen. Es klimperte, als sie mit dem Teelöffel ihren Kaffee umrührte. "Schließlich benutzen wir dieses Geschirr schon seit fünf Jahren und mittlerweile ist das Dekor unmodern geworden!"
   "Kannst du mir vielleicht sagen, liebe Hermine, wozu ein Service dient?",, wollte Herr Neumann nun auf einmal mit sanfter Ironie wissen.
   "Nun, man isst von den Tellern, trinkt aus den Tassen und…"
   "Und ist für irgendeine dieser Funktionen das Dekor des Service von Bedeutung?", unterbrach Herr Neumann seine Frau. Er sah sie mit einem triumphierenden Blick an.
   "Nein!", musste sie gestehen.
   "Genau!", sagte. er. "Es ist egal, ob der Teller, von dem man seinen Sauerbraten isst, mit Blümchen bemalt ist, ob er einen goldenen oder einen silbernen Rand hat, ob er geriffelt
   oder glatt ist Deshalb brauchen wir kein neues Service!"
   ”Tiefes Schweigen breitete sich über dem Tisch aus und das Frühstück nahm seinen Fortgang. Frau Neumann biss in ihr Honigbrötchen und trank einen Schluck Kaffee. Herr Neumann blätterte den Sportteil der Zeitung auf und widmete sich der Bundesligatabelle.
   "Willy", meldete sich Frau Neumann nach einigen Minuten wieder zaghaft zu Wort, "ich glaube, wir brauchen doch  ein neues Service!2
   "Und warum, meine Liebe?", erkundigte er sich, ohne den Blick von der Zeitung zu heben.
   "Nun, wenn nun plötzlich ein Stück von diesem Service kaputtgeht und sich bei uns gerade Besuch angesagt hat! Kannst du dir vorstellen, wie peinlich es wäre, ein unvollständiges Service aufzudecken?"  
   "Das sehe ich ein!", erwiderte Herr Neumann mit unerwarteter Kompromissbereitschaft. "Nur - das Service ist doch vollständig, oder?"
   "Noch ist es vollständig, ja!", muss Frau Neumann zugeben.
   "Und wenn ein Teller in die Brüche geht, kann man ihn nachkaufen, oder?!
   "Leider nicht", sagt Frau Neumann bedauernd. "Ich sagte doch vorhin schon, dass das Dekor unmodern ist und dieses Service nicht mehr hergestellt wird. Wenn nun plötzlich ein Teil zerbricht?"
   "Bis heute ist aber noch kein Teil zerbrochen!", braust Herr Neumann auf und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Seine Kaffeetasse verliert durch die Erschütterung das Gleichgewicht und klirrt samt Untertasse auf den Boden. Betroffen starrt Herr Neumann auf die Scherben.
   "Schade!«, sagte Frau Neumann, "um das schöne alte Service. Aber ich habe neulich bei Grotmanns im Schaufenster ein herrliches neues Service gesehen..."
   
  

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H.P. Karr präsentiert

Mord nach Rezept - Band 10:
Die Retro-Edition - mit zwei Dutzend Krimis zurück in die Achtziger


Die Achtziger – das waren die Jahre, als man noch überall rauchen durfte, der Marlboro-Mann und der Camel-Tramp im Kino Werbung machten und die Hollywood-Hits »Dirty Dancing«, »Shining« und »Zurück in die Zukunft« hießen. Zum Telefonieren benutzte man Festnetztelefone, und wenn man unterwegs war, musste man sich zum Anrufen eine Telefonzelle suchen – das waren gelbe Kabinen mit einem Münztelefon und einem gestohlenen Telefonbuch.

Zwei Dutzend clevere Kriminalstorys aus der guten alten Zeit – als im Fernsehen immer dienstags »Dallas« lief und freitags »Derrick« ermittelte. Die Hits des Jahrzehntes waren »Take On Me« von a-ha , Nena mit »99 Luftballons« und natürlich »Jeanny« von Falco. Wie immer zu Ihrem Vergnügen ausgesucht und zusammengestellt von Krimikenner H.P. Karr.

  

Richard Janssen: Nur eine kurze Begegnung
Richard Janssen: Frühstück
© by author / R.Jahn
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