Montag, 5. April 2021

Marianne und ihre Mutter

 Marianne und ihre Mutter

 Von Mara Mainau

 Marianne hatte völlig überraschend ihre Koffer gepackt und war zu ihrer Mutter gefahren. Mit verweinten Gesicht saß sie nun da und brachte kein Wort heraus.
   »Du hast dich mit deinem Mann zerstritten!«, erkannte Mariannes Mutter. Mariannes nickte schwer.
   »Warum?«, fragte ihre Mutter. »Es muß doch einen Grund gegeben haben, wegen dem ihr euch gestritten habt!«
   »Es ist ... weil eine Stromleitung defekt war!«, brachte Marianne schließlich hervor.
   Ihre Mutter schüttelte an Kopf. »Aber Kindchen!«, sagte sie besänftigend. »Das ist doch kein Grund, sich zu streiten. Oder hast du etwa die Leitung mit Absicht zerstört?«
   »Nein, sie war einfach kaputt«, schluchzte Marianne.
   »Ich sehe nicht ein, wo da der Grund für einen Ehestreit liegen soll!«, sagte Mariannes Mutter. »In einem solchen Falle ruft man doch einen Elektriker, der das alles wieder in Ordnung bringt!«
   Marianne wischte sich die letzten Tränen ab. »Aber genau das ‘habe ich ja auch getan, Mutter. Am Nachmittag ging die Leitung kaputt und ich telefonierte sofort mit einem Elektriker. Zufälligerweise hatte er Zeit und er versprach, sofort vorbeizukommen, um den Schaden zu reparieren!«
   »Und dein Mann? War er damit nicht einverstanden?«
   »Er wusste doch gar nichts davon, er war doch im Büro!«, erwiderte Marianne.
   »Aber wieso konntet ihr euch denn dann wegen der defekten Stromleitung streiten? Ist der Elektriker etwa nicht gekommen?«
   »Oh doch, schon fünf Minuten nach meinem Anruf stand er vor der Tür und konnte mit der Reparatur beginnen!« erzählte Marianne. »Er fragte mich zuerst, ob ich ein paar Kerzen in Haus hätte, weil er die Sicherung herausschrauben müsse, um den Schaden zu beheben. »
   »Und du hattest natürlich keine Kerzen!«, sagte ihre Mutter mit dem Brustton der Überzeugung.
   »Doch, ich hatte noch drei Kerzen, die zündete ich an. Zwei stellte ich auf den Couchtisch, mit der dritten leuchtete ich dem Handwerker. Der Schaden war in einer Leitung neben dem Sofa und so konnte ich ganz bequem sitzen!«
   »Ich verstehe immer: noch nicht, wie die Reparatur einer Lichtleitung zu einem Ehestreit führen kann”, sagte Mariannes Mutter verständnislos. »Du hast also auf dem Sofa gesessen und dem Elektriker geleuchtet, und auf dem Couchtisch brannten zwei Kerzen. Was ist dann passiert? Mein Gott, er wird doch nicht etwa zudringlich geworden sein? »
   »Aber nein, Mama, ihm ist nur eine Schraube heruntergefallen, unters Sofa und gerade, als er halb unter das Sofa gekrochen war, um sie hervorzuholen, da ist mein Mann hereingekommen...«
   
   

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Zwei Dutzend clevere Kriminalstorys aus der guten alten Zeit – als im Fernsehen immer dienstags »Dallas« lief und freitags »Derrick« ermittelte. Die Hits des Jahrzehntes waren »Take On Me« von a-ha , Nena mit »99 Luftballons« und natürlich »Jeanny« von Falco. Wie immer zu Ihrem Vergnügen ausgesucht und zusammengestellt von Krimikenner H.P. Karr.

   

 Die Kunst, eine Kurzgeschichte zu schreiben

 Von Michael Rolandt

 Es ist für manchen Autor schon schwer genug, eine Geschichte zu erzählen, aber noch viel schwieriger als eine einfache Geschichte ist eine Kurzgeschichte zu schreiben.
   Wie sagte schon Goethe: »Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit habe, dir einen kurzen zu schreiben.« Ebenso verhält es sich mit Kurzgeschichten. Je kürzer, desto komplizierter und aufreibender ist die Arbeit daran. Am schwierigsten sind Geschichten, die etwa den Umfang dieses Werkes haben. Sie sind sozusagen die Krönung eines jeden Autorenlebens. Eine solche kurze Geschichte veröffentlicht zu sehen, bringt einem Schriftsteller mehr Befriedigung und Achtung vor dem eigenen Werk ein als ein Dutzend dicker Romane.
   Es soll schon vorgekommen sein, dass Autoren für die Gestaltung einer einzigen Kurzgeschichte mehr Papier verbrauchten als für ihre gesamten bisher erschienen Werke.
   Es ist nämlich das existentielle Problem der Kurzgeschichte, dass man in ihr nur das Wichtige, das Wichtigste. das Allerwichtigste zu Papier bringen darf. Was in einem Roman eine seitenlange Beschreibung in Anspruch nehmen kann, muß in diesen Genre auf ein Wort, höchstens einen Nebensatz komprimiert werden.
   Dabei kann die Kurzgeschichte ebensoviel und sogar mehr aussagen als ein dreibändiges Epos. Dazu hat sie noch den Vorteil, dass sie in wesentlich kürzerer Zeit zu lesen ist. Was da in den Wochenendbeilagen der Tageszeitungen in zwei bis fünf Minuten liest, hat dem Autor Stunden um Stunden härtester Arbeit gekostet. Er hat Unmengen von Papier verbraucht, unzählige Tassen Kaffee getrunken und seine Schreibmaschine mit immer neuen Vorentwürfen traktiert.
   Es gibt für einen solchen Autor kein erhebenderes Erlebnis,
   als an einem Wochenende eine Zeitung aufzuschlagen und dort  das Ergebnis seiner stundenlangen Mühen gedruckt zu finden.
   Auf der letzten Seite der Wochenendbeilage zumeist, unter anspruchslosen Witzzeichnungen, prangt - in nicht gerade üppigen Lettern, der Titel seines, Werkes. Hat man etwas Glück, so ist. sogar der Name des Autors oder sein Pseudonym dort vermerkt! Es wäre vermessen, versuchte man das Glücksgefühl, dass einen in jenem Augenblick durchströmt, zu beschreiben.
   Doch bis man seine Kurzgeschichte endlich in der Zeitung finden kann, ist es ein langer Weg. Denn genau wie das Schreiben, so ist auch das Verkaufen einer Kurzgeschichte  eine große Kunst. Die Zeitungsredaktionen werden mit Manuskripten untalentierter Skribenten überhäuft, so dass man sich schon etwas besonderes einfallen lassen muß, um sein Werk in diesem Stapel minderwertiger Makulatur auffallen zu lassen. Zum Beispiel auf rotes Papier schreiben (was keinerlei Rückschlüsse auf die politischen Interessen zuläßt, schließlich kann man schlecht auf schwarzes Papier schreiben.). Oder man wählt statt der gewöhnlichen rechteckigen Bögen trapezförmige.
   Früher wurde eine Geschichte im allgemeinen schon veröffentlicht, wenn man der Zusendung kein Rückporto beilegte, da es sich die meisten Redaktionen nicht leisten konnten, unaufgefordert eingesandte Arbeiten auf eigene Kosten zurückzuschicken. Doch heute, im Zeitalter der Pressekonzentration, der Großverlage und Redaktionsgemeinschaften kann man diesen Kunstgriff nur noch bei kleineren Provinzzeitungen anwenden.
   Ein freundlicher Begleitbrief an den bearbeitenden Redakteur kann manchmal ebenfalls Wunder wirken. Noch besser ist es natürlich, wenn man dem Manuskript eine vollständige Interpretation der Geschichte beifügt, damit der gute Mann auch versteht was man zum Aus- und Abdruck bringen möchte. Stimmt dies alles dann noch mit der persönlichen Meinung des Redakteurs
   überein, hat man schon gute Chancen. Kommt noch eine gehörige  Portion Glück dazu, so erhält man einige Monate nach der Einsendung des Manuskriptes einen freundlichen Brief mit dem Inhalt, dass die vorgelegte Kurzgeschichte in einer der nächsten Ausgaben erscheinen wird.
   Und obwohl sich die Honorare für Kurzgeschichten in Grenzen halten, hoffe ich auch bald auf einen solchen Brief, denn mittlerweile bin ich zwei Monate mit der Miete im Rückstand , und meine Vermieterin wird sich nicht ewig mit dem Hinweis auf meine literarischen Fähigkeiten vertrösten lassen.


Mara Mainau: Marianne und ihre Mutter
Michael Rolandt: Die Kunst, eine Kurzgeschichte zu schreiben
© by authors / R.Jahn
Published by krimiladen.blogspot.com
4/2021
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